Data Templates und Data Sheets im AVA Prozess

Data Templates und Data Sheets können eine wichtige Rolle im AVA-Prozess für Errichtung und Betrieb spielen, insbesondere auch in Bezug auf umweltrelevante Produktdaten. Sie können verschiedene Aufgaben übernehmen. Data Templates können Anforderungen an Produktdaten maschineninterpretierbar formulieren. Dadurch wird es möglich, die Suche nach geeigneten Produkten zu automatisieren. Ein ausgewähltes Produkt kann über ein Data Sheet, das den Datenanforderungen des Templates entspricht, digital weiterverarbeitbar in die Projekt-CDE übernommen werden. Damit bleiben die Produktdaten über den gesamten Lebenszkllus eines Gebäudes bis zum Rückbau maschineninterpretierbar zugänglich. Somit ist eine Transparenz und Rückverfolgbarkeit der verbauten Produkte und Materialien auch Jahrzehnte nach der Errichtung noch möglich.

Zweck

Der Nutzen der Verwendung von Data Templates (als Klassifikation) im BIM-Modell besteht darin, dass klar ersichtlich ist, welche Eigenschaftswerte für Objekte angegeben werden müssen bzw. erwartet werden. Die klassifizierten Objekte können von Softwarewerkzeugen entsprechend ihrer Bestimmung interpretiert werden und die jeweiligen Eigenschaften zuweisen bzw. dem Anwender anzeigen, welche Eigenschaften vorhanden sein müssen und wie diese zu füllen sind. Auf diese Weise können automatisierte Prozesse angestoßen werden, die die erforderlichen Berechnungen oder Aufgaben durchführen.

Die ökologische Bewertung gliedert sich in sehr viele Teilbetrachtungen: Energieaufwand, Rohstoffverbrauch, Schadstoffemissionen, Recyclingfähigkeit und viele weitere Aspekte. Der Detaillierungsgrad bei der Betrachtung von Herkunft, Verarbeitung, Transportenergie und anderen produktspezifischen Merkmalen führt zu einer großen Datenmenge, die ohne Automatisierung nicht mehr zu bewältigen ist. Maschinenlesbarkeit und ein einheitlicher Standard der Datenstruktur sind für diese Prozesse unabdingbar.

Überblick

Data Templates werden mit Objekten im digitalen Gebäudemodell verknüpft und so gleichzeitig klassifiziert. Mit dem Data Template werden die beim Objekt notwendigen alphanumerischen Angaben eingebracht. Mit diesem Vorgang werden im BIM Modell auch jene Eigenschaften deklariert die bei einer Angebotslegung von den Bieterinnen für ein Produkt anzugeben sind. Durch eine Verknüpfung des angebotenen Produkts mittels eines Data Sheets (konkretes Produkt) das der Struktur des oder der geforderten Data Templates folgt, kann die Bieterin modellbasiert dargestellen, welches Produkt sie an welcher Stelle im Bauwerk verwenden möchte. Wurde ein Zuschlag erteilt wird im Zuge der Errichtung dieses Produkt als „verbaut“ bestätigt, oder kann durch ein anderes Data Sheet das ebenfalls zum Data Template passen muss ersetzt werden.

Musterhafter Ablauf

Der folgende Ablauf beschreibt beispielhaft die im Projekt BIMpeco erarbeitete Vorgehensweise mit dem Fokus auf die Nutzung und Pflege von „Umweltrelevanten Produktdaten“ in einer CDE.

Gebäudemodell aufbereiten

Für die Aufbereitung des digitalen BIM-Modells, das sowohl den klassischen AVA-Prozess als auch die Berücksichtigung umweltrelevanter Produktdaten unterstützt, sind mehrere Einflussfaktoren zu berücksichtigen.

(1) Die notwendigen ökologischen Bewertungskriterien sollten bereits in der AIA (Auftraggeber-Informations-Anforderung) durch einen BIM-Use-Case beschrieben werden. Der Use Case stellt die Nutzung der Daten durch den Betreiber für alle transparent dar. Die Vorgehensweise und die zur Umsetzung notwendigen Schritte sind für die Projektbeteiligten im BAP (BIM-Abwicklungsplan), abgestimmt auf das konkrete Bauwerk, festzuhalten. Eine Anforderung könnte z.B. sein, dass die verwendeten Produkte mit Eigenschaften bezüglich der Kriterien von ÖkoKauf Wien zu versehen sind.

(2) Planung und Ausschreibung müssen sich über die zu verwendenden Datenstrukturen („Data Templates“) abstimmen, um die für eine Produktauswahl notwendigen Eigenschaftsdaten im digitalen Modell und in der Ausschreibung verwenden zu können. Diese Abstimmung soll zu einer Beschreibung der in den verschiedenen Anwendungsszenarien (Planung, Bau, …, Rückbau) benötigten Daten und Arbeitsschritte im BAP führen. Damit kann sichergestellt werden, dass die Bereiche Ausschreibung und digitales Gebäudemodell hinsichtlich maschineninterpretierbarer Produktdaten möglichst eng verzahnt bleiben.

Ausschreibung erstellen

Die Rolle Ausschreibung sollte möglichst früh mit ihren Datenanforderungen eingebunden werden. Sie kann hier frühzeitig die Notwendigkeiten für eine möglichst automatische Ausschreibungserstellung und in weiterer Folge Vergabe und Abrechnung einfordern.

An dieser Stelle entsteht ein Konflikt zwischen der in Österreich traditionellen Herangehensweise der Ausschreibungserstellung und dem durch die Digitalisierung ermöglichten Prozessen. Ist das digitale Modell (insbesondere die hinterlegten Eigenschaften) nicht aussagekräftig genug, kommt es häufig vor, dass die Konkretisierung der Produktanforderung in der Ausschreibung erfolgt, ohne dass sich dies im digitalen Modell widerspiegelt. So entstehen zwei Sichten auf das Bauwerk, die einen permanenten Abstimmungsaufwand auslösen.

Auch wenn es im Jahr 2023 noch nicht üblich ist, wird das digitale Modell in Zukunft die bekannte textliche Ausschreibung weitgehend zu ersetzen. Die heute bekannte Ausschreibung ergänzt zumeist die in Plan oder Modell visuell nicht vorhandenen Angaben durch textliche Ergänzungen. Elemente in digitalen BIM-Modellen können durch entsprechende Klassifizierungen und Merkmale (Data Templates) die Aussage dieser textlichen Beschreibungen ersetzen und stattdessen im BIM Modell direkt abbilden.

Es klingt auch deshalb so futuristisch, weil die heute gängigen BIM-Autorenprogramme sich vorrangig auf die Darstellung von „Dingen“ beschränken. Mit IFC ist es aber schon lange möglich, ebenfalls Vorgänge/Prozesse und seit IFC4 auch Akteure/Personen im Modell abzubilden. Diese Art der Modellierung kommt nur sehr selten vor.

Angebotseinholung

Werden Produktdaten im Angebot gefordert, mit der Absicht, diese nachvollziehbar zu deklarieren, sind derzeit drei Informationspakete erforderlich:

  1. der Ausschreibungstext und
  2. das IFC-Modell, das den Bietern von der ausschreibenden Stelle für den Zweck des Angebots zur Verfügung gestellt wird und
  3. eine Aufstellung, welche Produkte (als Data Sheets) für welches Element im Modell verwendet werden sollen.

(1) Ausschreibungstext: Für Ausschreibungspositionen können Data-Templates verwendet werden, um darzustellen, welche Eigenschaften eines angebotenen Produkts (Elements) ausschreibungsrelevant sind. Sie können die derzeitigen Aufgaben des Lückentexts in Ausschreibungstexten übernehmen. Der Vorteil der Data Templates ist hier die formalisiertere und damit softwareinterpretierbare Beschreibung der zu liefernden Information.

Die aktuellen Standardleistungsbeschreibungen in Österreich basieren auf einem langjährig praktizierten Konsensprozess. In den Beschreibungen werden im Wesentlichen die zu realisierenden Prozesse und Elemente textlich festgehalten. Um in einer Übergangsphase zu einer stärker am BIM-Modell orientierten Leistungsbeschreibung die bestehenden Vorgehensweisen nutzen und behutsam transformieren zu können, sollte eine möglichst enge und damit wiederspruchsfreie Datenanbindung der Leistungsbeschreibungstexte an das BIM-Modell erreicht werden.

(2) Den BieterInnen wird ein IFC-Modell zur Verfügung gestellt, das alle für die Abgabe eines Angebotes notwendigen Daten enthält. Das Modell soll von den Modellierenden mittels Data Templates so angereichert werden, dass die notwendigen Eigenschaften bereits im Modell ersichtlich sind. Durch eine entsprechende Klassifizierung (= Data Template) wird für die BieterInnen im Modell klar dargestellt, welche Eigenschaften innerhalb welcher Grenzen für eine konkrete Produktwahl relevant sind.

Durch die formale Beschreibung der gewünschten Produkteigenschaften mittels Data Templates ist es für BieterInnen einfacher, passende Produkte oder Dienstleistungen in eigenen und fremden Datenbanken suchen zu lassen (zu automatisieren). Auch bei Beschaffungsproblemen der realen Bauprodukte, die im Zuge der Umsetzung auftreten können, können so alternative Produkte mit weniger Aufwand ermittelt werden. Für den Bieter ergibt sich auch die Möglichkeit laufend Optimierungen durchzuführen. So können z.B. Marktgegebenheiten (Verfügbarkeit, Lieferzeiten, Einkaufskonditionen, …) laufend überwacht und vorteilhaft eingesetzt werden.

(3) Da eine Produktauswahl für mehrere Beteiligte in der CDE sichtbar sein muss, ohne dass der Bieter das Modell oder die Ausschreibung ändern kann, ist mit dem Angebot eine Aufstellung zu übermitteln, aus der hervorgeht, welches konkrete Produkt (Data Sheet), idealerweise an welcher Stelle im Modell (Element-Referenz), verwendet werden soll. Das Data Sheet enthält idealerweise nur mehr die Eigenschaftswerte um das Data Template mit tatsächlichen Eigenschaftswerten zu befüllen.

Hinweis: In der o.g. Übergangszeit von textbasierter Beschreibung hin zu modellbasierter Leistungsbeschreibung können in der klassischen textbasierten Ausschreibung die Data Templates die Rolle der Auflistung der erwünschten Eigenschaftsbeschreibungen (Lücken) inkl. zulässiger Wertebereiche, die Data Sheets die Funktion der Angaben in Bieterlücken übernehmen. Damit kann die Konformität automatisiert geprüft werden.

Vergabe

Mit den Data Templates, aber noch detaillierter mit den Data Sheets (konkrete Produktdaten) aller Bieterinnen können entsprechende Datenanalysen erstellt werden. Da strukturierte (ökologische) Daten vorliegen, können mit entsprechenden Algorithmen Erkenntnisse und Prognosen abgeleitet werden, die derzeit zwar möglich, aber sehr aufwändig sind. Gerade im Bereich Ökologie und Nachhaltigkeit gibt es eine Vielzahl von einzelnen Produkteigenschaften, deren Gesamtbetrachtung für Entscheidungen durch den Menschen gut aufbereitet sein muss.

Produkteinsatz mit Data Sheets deklarieren

Um das digitale Modell in der CDE bis zum Rückbau als verlässliche Datenquelle nutzen zu können, ist die Pflege der digitalen Informationen sehr wichtig. Im Zusammenhang mit ökologischen Produktdaten ist dies eine besondere Herausforderung. Die Errichterinnen müssen im digitalen Modell deklarieren, ob das Element (jedes einzelne) mit den angebotenen Produkten realisiert wurden. Ist dies nicht der Fall, muss das alternative Produkt als Data Sheet mit seinem Einsatzort in das digitale Modell eingebracht werden. Dies kann innerhalb der CDE auf die gleiche (auch softwaretechnische) Art und Weise erfolgen, wie dies bereits beim Angebot für die Errichtung der Fall war. Die dabei entstehenden Daten können mehrfach verwendet werden. Unter anderem:

  • als Anhaltspunkt für die Realisierung eines Elementes durch Deklaration des verwendeten Produktes (Data Sheet)
  • zur automatisierten Überprüfung der Einhaltung der Anforderung im Data Sheet
  • zur Dokumentation des Einsatzortes eines bestimmten Produktes durch den Auftragnehmer
  • als Grundlage für die Bestätigung der Ausführung durch die ÖBA
  • zur laufenden Aktualisierung der Ökobilanz des Bauwerks

Während des Gebäudebetriebs

Die Änderungen, die sich im Laufe des Bauwerksnutzung ergeben, stellen sicherlich eine große logistische Herausforderung dar. Das digitale Abbild des Bauwerks muss ebenfalls gepflegt werden. Den Herausforderungen der dafür notwendigen Prozesse widmet sich das Projekt BIMBestand. Zentrales Element für die sich laufend ändernden digitalen Bauwerksdaten ist ein funktionierende CDE für das Bauwerk. Die zuvor beschriebene Vorgehensweise bezüglich digitalem Produktdaten kann für kleine und große Anpassungen des Bauwerks gleichermaßen angewendet werden.

Beim Rückbau am Lebensende

Unter der Voraussetzung, dass das digitale Gebäudemodell in der CDE weitergeführt wird, können wichtige Daten für den Rückbau aus dem digitalen Gebäudemodell ermittelt werden. Auch hier ist ein möglichst einfach zugängliches Datenmodell unter Verwendung offener Standards wichtig: derzeit IFC.

Insbesondere sollten gefährliche oder umweltschädliche Stoffe identifiziert werden können, um einen sicheren Rückbau und eine sichere Entsorgung zu gewährleisten. Eine Herausforderung für die Pflege der Daten werden die Handlungen der Nutzer des Gebäudes sein. Durch sie können Stoffe und Dinge in das Gebäude eingebracht werden, die sich einer digitalen Abbildung entziehen. Aus diesem Grund ist es denkbar, dass die Nutzerinnen in Zukunft Zugang zum CDE erhalten, um Informationen aus der Vergangenheit zu erlangen oder generell mit der Verwaltung über Veränderungen zu kommunizieren.

Aus den in der CDE dokumentierten Produktdaten sollte ersichtlich sein, welche Recyclingmöglichkeiten zur Verfügung stehen und welche Vorschriften und Gesetze bei der Entsorgung von Baustoffen zu beachten sind. Vorschriften und Gesetze sind im Vorhinein, bei Betrachtungszeiten von 30 bis 100 Jahren nur schwer absehbar. Neue Erkenntnisse in der Forschung und Entwicklung können zu veränderten Notwendigkeiten führen. Daher ist neben einem freien, leicht zugänglichen und stabilen Datenmodell eine möglichst systematische Erfassung und Aktualisierung des digitalen Bauwerks wichtig, um die vorhandenen Daten bei Bedarf entsprechend anreichern zu können.

Fazit

Die Produktdaten in den digitalen Bauwerksmodellen müssen nicht nur vorhanden sein, sie müssen für die Nutzung auch zeitlich und inhaltlich nachvollziehbar gehalten werden (offenes Datenformat). Die Software wird sich weiterhin schnell ändern. Die Daten bleiben. Das Konzept der Data Templates und Data Sheets in Verbindung mit dem in IFC beschriebenen Bauwerksmodell scheint diese Offenheit und Langlebigkeit zu gewährleisten.


Dieser Text entstand im Rahmen des Forschungsprojektes BIMpeco: Umweltrelevante Produktdaten in kollaborativen BIM-Umgebungen.

Die FFG ist die zentrale nationale Förderorganisation und stärkt Österreichs Innovationskraft. Dieses Projekt wird aus Mitteln der FFG gefördert. www.ffg.at