Produktdaten in BIM managen

BIM sollte nicht als reine 3D Darstellung eines Bauwerks gesehen werden. Der Mehrwert liegt in der Berücksichtigung nicht-geometrischer Daten. Ein wesentlicher Teil davon sind die Bauproduktdaten. Deren Einbindung kann mit Data Templates und Data Sheets bewerkstelligt werden. So können auch ökologische Produktdaten gesamten Lebenszyklus des Gebäudes genutzt werden.

Der folgende Ablauf zeigt, wie Produktdaten (einschließlich bauphysikalischer Kennwerte) im BIM-Prozess angefordert, integriert und genutzt werden können.

Das Szenario beginnt mit der Vereinbarung der erforderlichen Daten und reicht bis zur Datenpflege während des Gebäudebetriebs. Damit steht am Ende der Lebensdauer des Bauwerks ein Datensatz zur Verfügung, der eine sinnvolle Verwertung oder Entsorgung unterstützt.

Es soll der Datenfluss (bauphysikalische Daten) im BIM-Prozess beschrieben werden. Es soll aufgezeigt werden, mit welchen Datenflüssen in Zukunft zu rechnen ist.

Produktdaten-Transfer in BIM mit Data Templates

Im obigen Diagramm sind die einzelnen Schritte nummeriert. Die folgende Beschreibung bezieht sich auf dieses Diagramm.

(01) Definition von Data Templates

Ein Data Template stellt eine Datenstruktur dar. Sie enthält einen Titel und in den meisten Fällen eine Liste von Merkmalen. Diese Eigenschaften wiederum sind manchmal in Gruppen zusammengefasst. Idealerweise definieren in einer Organisation mehrere Interessierte gemeinsam einen Themenbereich (z.B. Ökologie) und die für eine Beschreibung sinnvollen Eigenschaftsbezeichnungen. Dabei können auch Grenzen (z.B. von-bis) und Default- bzw. Fixwerte für bestimmte Merkmalsausprägungen festgelegt werden.

Diese Definitionen müssen dann strukturiert verteilt werden, damit sie von Menschen und Programmen verstanden und verwendet werden können. Im Diagramm wird dafür der Begriff Template Store verwendet. Ein solches Repository ist das buildingSMART Data Dictionary (bSDD). Es dient dazu, solche Templates zu speichern und sie für alle zugänglich zu machen. Hinweis: Die Veröffentlichung ist nicht zwingend erforderlich. Eine solche Ablage (Data Dictionary) kann sich auch hinter digitalen Schranken befinden, wenn dies für ein Projekt oder ein Planungsteam erforderlich ist.

(02) Data Templates finden

Die Data Templates werden entweder von der Auftraggeberin in der Auftraggeber-Informations-Anforderung (AIA) vorgegeben oder im Rahmen des BIM-Abwicklungsplans (BAP) im Planungsteam vereinbart. Alle Projektbeteiligten sollten in der Lage sein, die Data Templates über einen oder mehrere Template Stores zu finden. Es ist zu beachten, dass solche Data Templates nicht über die Zeit gleich bleiben werden. Es muss daher damit gerechnet werden, dass es verschiedene Versionen von Data Templates geben wird. Dies erfordert eine klare Definition und Kommunikation innerhalb des Planungsteams. Gleichwohl muss die Einhaltung solcher Datenanforderungen im Rahmen der Modellqualitätssicherungsprozesse überprüft werden.

(03) Data Templates in Modell übernehmen

Sollen Data Templates in ein Modell übernommen werden, so erfolgt dies über Klassifizierungssysteme, die in IFC transportiert werden können. Dabei kann ein Data Template als Klasse eines Klassifizierungssystems betrachtet werden. Die Zuweisung einer zusätzlichen Klasse an ein bestehendes Element in einem IFC-Modell (z.B. eine modellierte Wand, IfcWall) führt zu zwei Ergebnissen: (1) Das Objekt (z.B. Wand) erhält durch den zusätzlichen Klassennamen eine zusätzliche Bedeutung und (2) die für diese Klasse definierten Eigenschaften (Properties) können im BIM-Modell ergänzt werden.

Die Zuweisung einer bestimmten Klasse ist Aufgabe der Modellierer*in. Die Übernahme der zusätzlichen Eigenschaften (Properties) ist Aufgabe der verwendeten BIM-Software. Derzeit (Stand 2023-02) ist die Unterstützung durch gängige Software noch etwas holprig. Es gibt bereits Möglichkeiten solche Daten zu importieren, eine direkte Anbindung an eine online verfügbare Modelldatenbank (Data Dictionary) ist jedoch nur sehr rudimentär umgesetzt. Alle bekannten Modellierungsprogramme erlauben es jedoch, diese zusätzlichen Eigenschaften (Properties) manuell in das Modell einzubringen.

Bei der manuellen Erfassung geht in den meisten Fällen der Bezug (datentechnische Referenz) zur Datenquelle verloren. Damit ist die Maschinenlesbarkeit nicht mehr gegeben und Automatismen (wie z.B. Prüfung und Aktualisierung) müssen auf andere Weise erfolgen. Dies ist in der Regel aufwändiger. Daher sollte die Umsetzung der Automatisierung so weit wie möglich verfolgt werden.

Ein Seitenblick zu Bauproduktherstellung und Vertrieb

(04) Produkthersteller*innen kennen Datenanforderungen

Hersteller*innen von Bauprodukten gewinnen über die veröffentlichten Data Templates Einsicht in die in der Modellierung benötigten Daten. Im besten Fall waren sie bereits Teil der Gruppe, die einen Konsens über die benötigten Eigenschaften gesucht und festgelegt hat. Das Data Template gibt den Beteiligten in der Herstellung und im Handel die Möglichkeit die Daten strukturiert und damit maschinenlesbar (und so für Menschen automatisierbar) bereitzustellen.

Hier können auch die Bauprodukthersteller*innen ihrerseits entlastet werden, weil Daten aus dem eigenen Produktinformationsmodell (PIM) automatisiert in maschinenlesbare Produktinformationen überführt werden können. Eine Data Template gibt hier einerseits klare Vorgaben und kann andererseits aufzeigen, wenn Erweiterungen/Änderungen der benötigten Daten notwendig sind. Solche Anpassungen sind z.B. im Zuge verschiedener Data Template-Versionen zu erwarten. Durch die Strukturierung der Daten in einem Data Template kann der Prozess weitgehend automatisiert werden. Dies sollte mittelfristig zu weniger Aufwand und weniger Fehlern bei der Datenübermittlung führen.

(05) Produktdaten bereitstellen

Die Data Templates zeigen den Herstellern von Bauprodukten die gewünschte Struktur der Daten (Eigenschaftsnamen). Die Eigenschaftswerte für ein Produkt können nun von den Herstellerinnen oder Händlerinnen ergänzt werden. Sind diese Daten eingegeben, spricht man von Data Sheets (aka Construction Objects). Sie bilden nun ein konkretes Produkt ab.

Solche spezifische Produktdaten können auf verschiedene Weise bereitgestellt werden. In der Abbildung wird dafür der Begriff ConstrObj Registry verwendet. Aufgabe eines oder mehrerer solcher Verzeichnisse (Registries) kann es sein, die Anbieter solcher Daten, die nach einem bestimmten Data Template strukturiert sind, schnell auffindbar zu machen.

Eine Möglichkeit ist, dass der Hersteller oder Händler selbst ein Verzeichnisse (Registry) betreibt und zur Verfügung stellt. Ähnlich der eigenen Website, auf der die Produktdaten auf herkömmliche Weise zur Verfügung gestellt werden.

Eine weitere Möglichkeit sind Produktplattformen wie baubook. Einige dieser Plattformen sind nicht nur Anbieter von Data Sheets, sondern „Komplettanbieter“ und bieten auch Data Templates an.

Weder Data Templates noch Data Sheets müssen/können/sollen auf eine Web-Plattform reduziert werden. Die zugrunde liegende Datenstruktur erlaubt eine dezentrale Datenhaltung.

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(06) Bieterin ermittelt Anforderungen

Durch die Zuordnung von Data Templates kann ausgedrückt werden, welche Produkt-Eigenschaften gewünscht sind. Data Templates transportieren auch Einschränkungen wie feste Werte und von-bis-Werte. Einige (vielleicht alle) Eigenschaften im Data Template können oder müssen für die Vergabe relevant sein. Welche Werte in die Entscheidung einfließen, muss in einem Vergabeverfahren klar definiert werden.

(07) Bieterin ermittelt Produkte

Die Data Templates (mit den darin enthaltenen Fixwerten und Bereichen) können bei der Ermittlung der Angebotsgrundlagen hilfreich sein. Sie stellen eine Art Schablone für mögliche Bauprodukte dar. Die Data Templates können die Grundlage für eine Suchanfrage an eine oder mehrere Produktdatenbanken bilden. Eine solche Datenbank kann auf Basis eines oder mehrerer Data Templates entsprechend strukturierte Data Sheets (Daten konkreter Produkte) zurückliefern. Diese Data Sheets sind nicht notwendigerweise auf diese Template-Daten beschränkt. Es können alle verfügbaren Produktinformationen geliefert werden.

Denkbar sind nicht nur öffentliche Datenquellen, sondern auch Datenquellen von Händlern, die nur für Handelspartner zugänglich sind. Für Handelspartner können im Datenblatt zusätzliche Informationen enthalten sein, die nur für den konkreten Handelspartner relevant sind. Beispiele sind Lieferbedingungen, Verfügbarkeiten, Einkaufspreise, …

(08) Bieterin übermittelt angebotene Produktdaten

Eine Bieterin kann im Rahmen des Angebots die angebotenen Produkte als Data Sheets direkt mit dem Modell verknüpfen und so deklarieren, wo das angebotene Produkt eingesetzt werden soll. Dabei kann es vorkommen, dass mehr als ein Produkt deklariert wird. Der Grund dafür kann sein, dass diese Menge nicht im erforderlichen Umfang verfügbar ist und somit ein alternatives Produkt angegeben werden muss.

Anmerkung: Die konkrete Deklaration von Produkten über die Zuordnung von Data Sheets beim Angebots kann als Zukunftsmusik betrachtet werden. Für einen breiten Einsatz dieser Arbeitsweise müssen entsprechende Online-Dienste von den Anbietern bereitgestellt werden. Bis dahin können jedoch die Data Templates im Vergabeverfahren eine klare Definition der benötigten Daten transportieren.

Werden konkrete Produktdaten mittels Data Sheets übermittelt, können bereits in der Angebotsphase Berechnungen zur ökologischen Gewichtung durchgeführt werden. Die verschiedenen Bewertungssysteme für ökologische Bauprodukte werden dadurch nicht überflüssig, aber ökologische Daten können stärker in die Angebotsentscheidung einfließen.

Errichtung und Betrieb …

(09) Deklaration verbauter Bauprodukte

Es kann vorkommen, dass nicht die ursprünglich vorgesehenen Bauprodukte verwendet werden, sondern auf andere, im Sinne der Ausschreibung gleichwertige Produkte ausgewichen wird. In diesem Fall müssen die abweichenden Produkte wiederum als Data Sheets in das Datenmodell aufgenommen werden. Auch hier übernehmen die Data Templates eine qualitätssichernde Funktion. Einerseits wird sichergestellt, dass die Daten den Anforderungen an die Datenqualität entsprechen, andererseits wird sofort sichtbar, wenn das Bauprodukt die Grenzen der ursprünglich definierten Zulässigkeit verlässt.

Die Aufgabe der Beibringung dieser Data Sheet Daten obliegt den Ausführenden.

(10) Verortung verbauter Bauprodukte

Während der Ausführung sollte der Einsatz der Bauprodukte durch Verknüpfung mit den Modellelementen (z.B. Wandschicht, Einrichtungsgegenstand, …) möglichst genau lokalisiert werden. Dies kann einerseits die Abrechnung der Leistungen unterstützen, andererseits sind die verwendeten Bauprodukte für den Betrieb des Gebäudes relevant. Für einige Elemente werden wahrscheinlich gleichwertige, aber nicht identische Bauprodukte verwendet.

… bis das Bauwerk sein reales Ende findet.

Um am Ende des Lebenszyklus eines realen Bauwerks die richtigen Maßnahmen in Bezug auf Wiederverwendung, Recyclingfähigkeit und Entsorgungsanforderungen treffen zu können, ist es wichtig, die verwendeten Bauprodukte und deren Verortung im BIM-Modell aktuell zu halten, welches kontinuierlich im Common Data Environment (CDE) gepflegt wird. Die Lebensdauer des CDE entspricht mindestens der Lebensdauer des Bauwerks. Es „lebt“ sogar länger, da es auch die Planungs- und Rückbauphase umfassen sollte.

Diese Langlebigkeit erfordert eine Datenhaltung, die sicherstellt, dass die Daten auch in mehr als 30 Jahren noch verständlich und damit nutzbar sind. Hier sollten Datenstrukturen verwendet werden, die bereits heute zeigen, dass sie auch in mehr als 30 Jahren noch verständlich sind. IFC als gut dokumentierte und lizenz- und kostenfrei nutzbare textbasierte Beschreibungssprache bietet hierfür einen tauglichen Weg.


Dieser Text entstand im Rahmen des Forschungsprojektes BIMpeco: Umweltrelevante Produktdaten in kollaborativen BIM-Umgebungen.

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